Letzten Winter entschloss ich mich meinen Sommer in den Bergen verbringen zu wollen. Durch meine Arbeit am Skilift Grasgehren bot sich mir die Chance, einen der dort am Lift Angestellten an den Wöster in die Lechtaler Alpen zu begleiten. Denn besagter Liftler ist im Sommer Hirte für die "Alpengenossenschaft Wöster". Dies ist eine Vereinigung von Bauern aus dem Umkreis Dornbirns, welchen das Weideland um den Berg Wöster gehört. Über 20 Bauern geben quasi ihr Vieh über den Sommer in die Obhut des Hirten und seiner Helfer. Wir passen auf dieses Vieh auf, achten darauf, dass sie stets genug zu fressen und trinken haben und leisten unter anderem auch medizinische Erst- und Grundversorgung bei diversen Krankheiten, Mangelerscheinungen und/oder Verletzungen. In diesem speziellen Fall sind das dann 540 Rinder. Damit war unsere Herde wohl die größte zusammenhängende Herde im ganzen Vorarlberg.
Die meisten Viecher sind Jungtiere. D.h. Kuhkälber, die noch nicht gekälbert haben oder dies noch nicht können. Oder eben junge Ochsen, die meist bereits kastriert sind. Einige wenige trächtige Kühe waren genauso mit dabei wie sogenannte "galte Kühe". Letzteres sind ehemalige Kühe, die bei Besamungen nicht mehr aufnehmen, ergo unfruchtbar sind. Überwiegend handelte es sich jedoch wie gesagt um Jungvieh, das auch "Goldvieh" genannt wird.
540 Viehcher fressen ganz schön was weg. Eines allein benötigt am Tag ca. 60kg Pflanzennahrung und zwischen 80 und 100 Liter Wasser. Man benötigt also einiges an Weideland und ist deshalb über den Sommer gesehen auch ziemlich unterwegs.
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Der Wöster - Blick von der Rappenspitze
Wer sehr sehr genau hinschaut kann in der Bildmitte die "Obere Wösteralpe" erkennen und links sowohl die "Untere Wösteralpe" als auch die "Hintere Bockbachalpe". Mit letzterer hatten wir nichts zu tun. Auf der Unteren Wösteralpe waren wir gut drei Wochen, auf der Oberen Wösteralpe etwa vier. |
Los geht das Ganze in der Dornbirner Gegend auf der (Vor-)Alpe "Hasengerach". Dort war der Hirte noch mit seinem "Schwemmer" (in Deutschland würde man wohl zweiter Hirte sagen; also quasi seine Rechte Hand) allein. Von dort wird das Vieh dann innerhalb zweier Tage über Mellau, Schnepfau, Schoppernau, Schröcken und Stubenach auf die erste Alpe - die "Tälialpe" - im Wöstertäli bei Lech getrieben. Dort begann dann Anfang Juli auch meine Zeit als Älpler bzw. Kleinhirte.
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Blick aus der Haustüre der Tälialpe (1680 m ü.M.).
Am Hang gegenüber erkennt man Oberlech. Der Berg gegenüber ist die Mohnenfluh. |
Nicht ganz so blöd wie Schafe sind Rinder dennoch etwas leitungsbedürftig. Somit zählte das Treiben des Viehs und das Aufpassen auf selbiges zu den Hauptaufgaben während meiner Arbeit dort. Einem Haufen von über 500 Tieren kann man eben nicht einfach sagen: "Lauft mal bitte da rüber, dort gibt's gute Kräuter und frisches Wasser." Genausowenig wie: "Bitte hier nicht weiterfressen, da wird's zu steil!" Oder "Aufpassen, wenn ihr hier zu viele werdet purzelt ihr unter Umständen bald alle zusammen runter und brecht euch dabei wahrscheinlich auch noch was." Wobei die meisten Knochenbrüche - insbesondere an den Extremitäten - zum frühzeitigen Termin beim Sensenmann führen...
Man ist also jeden - wirklich jeden - Tag draußen. Egal was das Wetter macht. Und schneller als man glauben mag bekommt der Spruch "Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung" wirklich Bedeutung. Trotz allem hatten wir diesen Sommer enormes Glück. Es war ein schöner Sommer, ein verdammt schöner Sommer! Viel Sonne, wenig wirklich lang anhaltende Schlechtwetterperioden, mehr als genug zum Fressen für das Vieh und keine ernsthaften Probleme was die Wasserversorgung von Mensch und Tier anging.
Kurzum: mein letzter Sommer war ziemlich gut!
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Blick aus dem Bockbachtal auf den Biberkopf |
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Schnee im "Hinteren Seehöfle", Hohes Licht und Lärchenspitze |
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Zwei Prachtexemplare Allgäuer Braunviehs |
Und für alle, die jetzt immernoch nicht genug vom lesen haben, liefert der folgende Absatz einen möglichen Tagesablauf des Kleinhirtentums:
Um ca. 6:30 Uhr wird geweckt. Der Hirte selbst ist schon früher aufgestanden und hat bis zu diesem Zeitpunkt seine eigene Milchkuh, die auch mit von der Partie ist, bereits gemolken. Der Schwemmer ist auch schon wach. Die knappen 10 Liter Milch, welche unsere Milchkuh "Bella" jeweils morgens und abends gibt, werden zum Teil selbst verbraucht (Müsli, Kochen, Kaba, Kaffee, usw.) und der Rest wird zentrifugt, d.h. der Rahm wird gewonnen und übrig bleibt Magermilch. Letztere wird dem Milchkalb "Max" gefüttert, damit dieses bis zum Herbst dick und fett und kugelrund wird. Ja, Max wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bald in diversen Kühltruhen liegen. Aus dem Rahm jedoch wird Butter gemacht. Alles ohne Strom versteht sich. Dieser ist nämlich auf den drei Berghütten dort oben rar.
Das Frühstück bereitet die Frau des Hirtens vor, welche als Köchin mit dabei ist. Ca. alle zwei Wochen geht sie Einkaufen. Der Proviant wird mit Laströssern auf die derzeit bezogene Hütte getragen und somit waren wir stets gut versorgt.
Kurz nach 7 Uhr verlassen wir die Hütte. Es geht zum Vieh.
Der Zaun des momentanen Einschlags (Weide) wird so ziemlich jeden Tag überprüft. Überprüfen heißt in dem Fall ablaufen, immer wieder Strom testen, in den Zaun reinstehende Pflanzen niedermähen und etwaige Mängel beseitigen. Jeder der ca. 16 Einschläge muss nämlich über den Sommer verteilt frisch eingezäunt werden und nachdem er gefretzt (vom Vieh abgegrast) wurde, muss der Zaun natürlich wieder abgebrochen werden. Eine weitere Aufgabe, die mich den Sommer über beschäftigt hielt.
Eine Fläche, welche 540 Viehchern über mehrere Tage hinweg sowohl Futter als auch Wasser bietet, ist nicht gerade klein. Im oftmals alpinen Gelände kann nicht jede gefährlichere Stelle rausgezäunt, abgesperrt oder extra eingezäunt werden. An solchen Stellen muss man dann selbst dabei sein und eben aufpassen.
An den meisten Tagen hat man trotz allem eine Mittagspause zwischen ca. 11:30 und 15:00 Uhr. Denn auch das Vieh macht Pausen. Zum einen zum Wiederkäuen, zum anderen um zu schlafen. Gott sei Dank!
Zeit für's Mittagessen ist also meistens gegeben. Oft reicht es sogar noch für ein Mittagsschläfchen. Anschließend geht's wieder raus zum Vieh. Sobald es abends langsam dämmrig wird, geht es wieder zurück zur Hütte. Dann steht schönste Zeit des Tages an: Brotzeit. Zu guter letzt tritt man noch den Matrazenhorchdienst an.
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Obere Wösteralpe (2100 m ü.M.) mit der Nördlichen Wösterspitze im Hintergrund |
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Regenbogen überm Fleischkopf, vereinzelte Wölkchen im Bockbachtal und rechts hinten die Krabachspitze |
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Zärtlichkeit können die auch - hinten links die Schäferköpfle, rechts die Rappenspitze |
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Links die Mohnenfluh, rechts das Karhorn und recht mittig: der Bodensee |
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Tage mit wenig bis kein Sonnenschein gab's auch |
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Rüfikopf mit Rüfikopfbahn und zwei Murmeltiere, die die Sonne auch vermisst haben |
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Trinkpause |
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Mittagspause |
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Abendstimmung |
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Streicheleinheit auf dem Wöstersattel - das Lechtal im Hintergrund |
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Die schönsten Szenerien entstehen eindeutig beim Wetterwechsel |
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Ein paar Schnitzereien |
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Das Wöstertäli, mit Walkerbach, der Tälialpe und oben dem ersten Schnee des Jahres Anfang September |
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Blick aufs Karhorn - links Anfang Juli, rechts Anfang September |
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Einer der anhänglicheren Sorte - Spitzname: Schmusebär |
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Eine wahre Schönheit, die Heidi |
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Schuhe scheinen auch zu schmecken |
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Gene Simmons !? |
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Nochmal der Blick aus der Tälialpe auf Oberlech und die Mohnenfluh |